Ode an das Eine

Stell Dir vor, du wärest nicht dein Körper, du wärest nicht deine Gefühle, du wärest nicht deine Gedanken. Du wärest nicht deine Meinung zum Tagesthema, du wärest nicht einmal deine Beziehungen und auch nicht der Sohn oder die Tochter deiner Eltern.

Du wärest nicht, was du hörst, siehst, schmeckst, riechst oder spürst. Nein, all das wärest du nicht.

Was wärest du dann?

Stell Dir vor, du wärest das, was alles nur beobachtet. Dieser Beobachter ist nicht stofflich, nicht an einen Ort gebunden. Stell dir vor, der Beobachter wäre das Zentrum einer multidimensionalen Welt, die entsteht und vergeht, sich um ihn herum bewegt, die handelt, sich verändert. Das Zentrum eines Lebens, das spürt, spricht, einschläft, wieder aufwacht und einkaufen geht.

Wenn du dir das vorstellen kannst, dann wirst du verstehen, dass es für den Beobachter keine Zeit gibt, keine Vergangenheit, keine Zukunft, kein Warten, kein Erinnern. Das Vergangene und das Zukünftige sind EINE Wirklichkeit – ebenso gegenwärtig, wie das Jetzt. Und weil alles Jetzt ist – bist du frei.

Und jetzt stell dir vor, du wärest NICHT dieser Beobachter. Du wärest all diese Dinge, Taten, all dieses Treiben. Du wärest ein winziger Tropfen in einer Riesenwelle in einem gigantischen endlosen Ozean. In diesem Moment wärest du ein Teil, der dem Ganzen folgt.

Wonach möchtest du dein Leben ausrichten?  Welches Bewusstsein hältst du für erstrebenswert?

Was kannst du tun, um das zu sein, was du bist?

Du könntest damit anfangen, still zu sein, es immer mehr zu werden, all diese Tröpfchen-Bewusstsein-Teile zur Ruhe kommen zu lassen. Der Beobachter ist eine Lichtsäule, an der die Brandung des Lebens abperlt. Der Beobachter vermischt sich nicht, er haftet nirgends an – und ist dennoch Teil von Allem, er schließt nichts aus, er trennt sich nicht, bewertet nicht, er ist – was ist.

Wie kannst Du zum Beobachter werden?

Indem du beobachtest. Sei das Beobachtende dessen, was du siehst, hörst, schmeckst, riechst, spürst. Du beobachtest das Entstehen einer – „deiner“ Meinung,  von Gedanken aus dem scheinbaren Nichts. Du folgst den Gedanken bis zu ihrem Ursprung und erkennst ihre Unfreiheit, ihren Versuch frei zu sein, indem sie sich mit Leibeskräften festhalten, indem sie behaupten: „Es ist so und nicht anders! Ich bin jemand, weil ich so und nicht anders bin und in jedem Fall anders als die anderen!“

Weil du nun der Beobachter dieser Gedanken bist, wird in dir Mitgefühl entstehen, nicht nur für die Gedankenwesen aus dir, sondern auch die der anderen Menschen. Weil du tiefer schaust und dich nicht blenden lässt. Als Beobachter wirst du dich nicht über etwas anderes als dich selbst definieren müssen. Gedanken werden zu Schwingungen, ausgelöst von Erfahrungen, Erfahrungen, von denen du einst glaubtest, sie zu sein. Du wirst erkennen, dass jeder dieser Gedanken ein Ruf nach Liebe ist, nach Erlösung, endlich gehört und angenommen zu werden. Und so wirst du diesem Ruf nach Liebe ein neues Gesicht geben, keine der vielen alltäglichen Masken, sondern ein Gesicht voller Licht, das all das umfängt und durchdringt, was eben noch im Schatten lag.

Du bist das Licht, dass all das ist – was ist.

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